„Berlin feiert das große Jobwunder,“

so die Schlagzeile der Boulevardzeitung BZ vom 1. Juni auf ihrer Internetseite. „Berlin wächst bei den Einwohnern und schrumpft bei der Zahl der Arbeitslosen! Erstmals seit dem Mauerfall liegt die Arbeitslosenquote unter 10 %.“ So der Tenor des Blattes weiter. „Dank der boomenden Wirtschaft hat Berlin die magische Marke von 10 % zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert hinter sich gelassen,“ wird die Wirtschaftssenatorin Cornelia Ycer (CDU) zitiert. Keinem Bewohner Berlins ist verborgen geblieben, dass seit Jahren die Tourismusbranche wächst und wächst. In manchen Stadtteilen schießen immer mehr gastronomische Betriebe aus dem Boden, die Hotelbranche scheint zu boomen und es wird gebaut, sei es im Bereich des Wohnungsbaus oder der Verlegung oder gar Restaurierung ganzer Straßenzüge. Sie merken es spätestens dann, wenn Sie mit dem Auto durch die Stadt fahren und dann plötzlich regelmäßig in einem Stau stehen.

Das in der Bundeshauptstadt, zumindest kurzfristig neue Arbeitsplätze entstehen kann nicht bestritten werden. Nur schaut man hinter die Kulissen, so erfährt man schnell, dass viele dieser Arbeitsplätze nicht besonders gut bezahlt oder aber lediglich Teilzeitjobs sind. Den Spitzenplatz bei den so genannten Aufstockern im Bereich Hartz IV wird so schnell keine andere Region dem Land Berlin streitig machen können. Die Kluft zwischen gut verdienenden und prekär beschäftigten ebenso wie die Kluft zwischen denjenigen, welche über ansehnliche Vermögen verfügen und den anderen, welche nichts haben oder aber verschuldet sind wächst in Berlin mindestens ebenso schnell wie in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Da hilft es auch wenig, dass in der Bundeshauptstadt fast jeden Tag ein neues Internet Unternehmen als Startup gegründet wird. Nur wenige im Bereich dieser kreativen Kleinfirmen überleben mittel-oder langfristig. Zu pessimistisch gedacht?

„Das Ende der Arbeiter: Roboter produzieren Adidas-Schuhe in Deutschland,“ so die Überschrift eines Berichts in den Deutschen Wirtschaftsnachrichten. „Der deutsche Sportartikelhersteller Adidas baut derzeit eine Fabrik, die weit gehend ohne menschliche Mitarbeiter auskommen soll. Stattdessen übernehmen Roboter die Produktion. Auf rund 4600 m² sollen die Maschinen der so genannten Speedfactory automatisch Schuhe Made in Germany die herstellen,“ so heißt es weiter in der Meldung des Blattes. Adidas verspricht, dass kein Arbeitsplatz verloren gehe, zumindest nicht hier in der Bundesrepublik. Wegen der vergleichsweise hohen Lohnkosten in Deutschland hatte die Traditionsmarke ihre Produktionsstärken schon vor Jahrzehnten komplett in Billiglohnländern vor allem in Asien ausgelagert und beschäftigt dort nach Schätzungen annähernd 1 Million Menschen. „Stellt sich die Fabrik in Ansbach als Erfolg heraus,, so plant Adidas die Produktion auch in andere Absatzmärkte zurückzuholen, mit weiteren Roboterfabriken etwa in Frankreich, Großbritannien oder den USA,“ beenden die Deutschen Wirtschaftsnachrichten ihren Bericht. Wenn ich diese Meldung im Zusammenhang betrachte, komme ich zum Ergebnis, dass mittelfristig in einigen Regionen der Erde 1 Million Menschen „freigesetzt“ werden, aber in den traditionellen Industrieländern die Produktion wieder angekurbelt wird, allerdings keine oder fast keine Arbeitsplätze geschaffen werden.

300 Millionen Paar Schuhe soll Adidas im letzten Jahr verkauft haben, und jetzt sollen es noch mehr werden. Ich frage mich daher, wer denn dann die Adidas Schuhe, automatisch hergestellt weit gehend ohne Einsatz menschlicher Arbeit, am Ende wo und mit welchem Geld kaufen wird.

Bislang war und ist es immer noch überwiegend so, dass die meisten Menschen das Geld, welches sie benötigen, um Gegenstände oder Dienstleistungen zu erwerben, durch Arbeit verdienen müssen. Wie lange noch wird das in dieser Form möglich sein? Die Schuhe der Firma Adidas dienen als anschauliches Beispiel für kommende Herausforderungen. An dieser Stelle habe ich bereits am 8.1.2016 aufgrund eigener Erfahrungen und unter Bezugnahme eines Beitrages in der Neuen Zürcher Zeitung auf die zukünftige Problematik hingewiesen. Probleme, zumindest wenn sie durch menschliches Handeln verursacht sind bedürfen einer Lösung. Eine Welt ohne die bislang typische und häufig beschwerliche Lohnarbeit muss grundsätzlich keine schlechte sein.„Wie nahe ist das Ende der Arbeit?“ Das war die Überschrift welche auf der Internetseite des Wirtschaftssenders N 24 am 1.6.2016 zu lesen war. „Eine alte Utopie erlebt gerade ein weltweites Come-back: Das bedingungslose Grundeinkommen. Es soll den Bürgern Freiheit bringen und ihnen alle Existenz Ängste nehmen. Kann das gelingen?“ Der Artikel ist ausführlich, spannend und informativ zugleich. Am besten googeln Sie selber einmal nach, es lohnt sich. Besonders in der Schweiz wird zurzeit heftig über ein bedingungsloses Grundeinkommen diskutiert. Ein Traum, könnte man denken. Bereits in der Bibel ist an vielen Stellen davon die Rede, jedem zu geben was er benötigt. Und auch Ende des 18. Jahrhunderts wurde diese Idee von verschiedenen Sozialrevolutionären diskutiert. Nichts wirklich Neues also, aber die Digitalisierung oder nennen wir es auch Automatisierung führt uns näher an die Realisierung dieser Utopie heran als jemals zuvor.

„Im Kern geht es nicht um Geld, sondern um Macht – also mehr Selbstbestimmung.“ zitiert N24 den Schweizer Aktivisten Daniel Häni. Alles sei eine Frage des gesunden Menschenverstandes. Aber nicht nur in der Schweiz ist ein Grundeinkommen ein Thema. In Kanada wird damit experimentiert, in Brasilien hat ein Grundeinkommen Verfassungsrang, im niederländischen Utrecht beginnt ebenfalls ein Modellversuch.

Selbst der viel gescholtene „Erfinder“ des Neoliberalismus, Milton Friedman, war aus vielerlei Gründen für ein Grundeinkommen. Auch hier in der Bundesrepublik hat die Diskussion begonnen, aber eher zaghaft als anderswo. Menschen, die einer regulären Arbeit nachgehen müssen, egal wo und auch egal was Sie dort tun sind selbstverständlich leichter zu disziplinieren. Sie können auf keine „dummen“ Gedanken kommen. Darüber hinaus ist Deutschland das Kernland der historisch verdienstvollen Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts. Die Kraft und Macht der Arbeiterbewegung endete nach und nach jedoch im Verlaufe des 20. Jahrhunderts und ist derzeit faktisch zum Erliegen gekommen.

Das Bild des stolzen, um seine Rechte ringenden Arbeiters bestimmt aber bis zum heutigen Tage die Köpfe vieler Menschen, besonders die Gewerkschaften haben bislang keinen Plan, wie Sie den aktuellen Herausforderungen gerecht werden können.

Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, sei der Hinweis gestattet, dass die älteste Partei dieser Republik, die Arbeiterpartei SPD , laut Umfragen gerade einmal 20 % erreicht. Umdenken ist gefordert und das nicht nur bei Gewerkschaften und SPD allein.

Ein gutes Wochenende wünscht Ihnen
Herzlichst ihre Jaqueline Hartmann

Scroll to Top