So eine Fußballeuropameisterschaft kann schon eine gute Sache sein.
Vor ein paar Tagen ging ich abends in einen Berliner Spätkauf, um eine Cola zu kaufen. Ich musste ein wenig warten, bis man meine Anwesenheit überhaupt bemerkte. In dem kleinen Raum war ein großer Fernsehapparat aufgestellt, der Laden war völlig überfüllt, Deutsche und Türken schauten sich gemeinsam ein wichtiges Spiel an. Es wurde lautstark gesprochen, wild gestikuliert, die Stimmung war emotional jedoch völlig friedlich. So oder ähnlich dürfte die Stimmung zurzeit in vielen Kneipen oder aber Wohnzimmern in der gesamten Bundesrepublik sein. Fußball fasziniert die Menschen, und internationale Meisterschaften bestimmen für Tage oder Wochen das öffentliche und private Leben. Was sonst so in der Welt draußen passiert verliert für einen Großteil der Bevölkerung weit gehend an Bedeutung.
„Jetzt spricht Löw über seinen Griff in die Hose,“ so die Überschrift am 16. Juni in der als seriös geltenden deutschen Ausgabe der Huffington Post. Da hatte sich doch tatsächlich der Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft bei einem der Meisterschaftsspiele in aller Öffentlichkeit in die Hose gefasst und sich exakt an der Stelle gejuckt oder gekratzt, die einen Mann zu einem Mann macht. Jeder hatte es gesehen, nicht nur hier im Lande, sondern die ganze Weltöffentlichkeit war Zeuge geworden, das Fernsehen macht so etwas möglich. Eine Art Schock ergriff die Republik und für gut zwei Tage diskutierte die deutsche Medienlandschaft, ob ein derartiger Hosengriff eines der Hauptrepräsentanten des deutschen Fußballs würdig sei. Schließlich entschuldigte sich Joachim Löw öffentlich im Deutschen Fernsehen. Lukas Podolski sorgte auf seine Art für ein Ende der Diskussion. Zitat aus der Huffington Post:
„Ich denke, 80 % von euch und ich kraulen sich auch mal an den Eiern. Von daher ist alles gut.“
Internationale Sportwettbewerbe und ganz besonders Fußballländerspiele oder Meisterschaften haben immer auch einen politischen Charakter. Sie dienen der nationalen Identitätsbildung und können darüber hinaus ebenso zur Herabwürdigung anderer Staaten und deren Bevölkerungen genutzt werden. Können, zwingend ist das keinesfalls. Zunehmend problematisch wird national und international das Problem gewaltbereiter Fangruppen, so genannter Hooligans. Die Fußballeuropameisterschaft, welche derzeit im krisengeschüttelten Frankreich stattfindet wurde zeitweilig medial beherrscht von Auseinandersetzungen zwischen britischen und russischen Hooligans. Das Gewaltpotenzial beider Seiten war derartig groß, dass der Betrachter an bürgerkriegsähnliche Zustände erinnert wurde. Das massive Polizeiaufgebot hatte große Mühe die Lage unter Kontrolle zu bringen. Einige britische Fußballfans sind seit vielen Jahren für Ihr rabiates Verhalten bekannt und tun Ihrem Land bestimmt keinen guten Dienst. Aber nun auch noch die Russen. Was im Fernsehen rüber kam war kein appetitlicher Eindruck. Der Fußball Weltverband sah sich gezwungen eine Entscheidung zu treffen. Sanktionen gegen Russland und England? Man entschied sich mehrheitlich für den Ausschluss Russlands vom Turnier. Der Ausschluss wurde immerhin zur Bewährung ausgesetzt. Die Fußballfunktionäre hatten ihr Urteil gesprochen:
Es war kein Urteil zwischen Gut und Böse, sondern ich behaupte, es war ein Urteil zwischen „Böse und ganz besonders „Böse“. Und das waren in diesem Falle nach Ansicht des Weltverbandes die Russen. Die russischen Medien waren über die Entscheidung empört und fanden sie ungerecht. Ich persönlich finde Krawalle egal von wem und wo niemals gut. Strafmaßnahmen können durchaus einen Sinn ergeben. Eine einseitige, d.h. politische Komponente der Entscheidung gegen Russland ist nicht so leicht von der Hand zu weisen. Das Nachrichtenmagazin Spiegel brachte gewollt oder ungewollt die Sache auf den Punkt:
„Der Umgang mit den Krawallen passt auch zur Verrohung der politischen Auseinandersetzung in Russland und zu der Tendenz, Gewalt als legitimes Mittel der Auseinandersetzung zu sehen.,“ So das Nachrichtenmagazin am 16.6.2016 wörtlich. Dazu schafft es das Blatt im selben Artikel so ganz nebenbei auch noch die Annexion der Krim in einen Zusammenhang mit den Ausschreitungen der russischen Hooligans zu bringen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch der momentan rauf und runter diskutierte Dopingskandal im russischen Leichtathletikverband. Jeder ist gegen Doping im Sport. Ich auch. Und natürlich haben die Russen gedopt. Wie viele andere Länder auch. Die Kontrollen gegen Doping werden von Jahr zu Jahr verschärft, und trotzdem wird weiter gemacht. Die Methoden werden subtiler, es gibt immer neuerer Substanzen, man darf sich nur nicht erwischen lassen. Aufschlussreich ist bezüglich der Problematik des Doping ein Interview des Senders 3sat mit Professor Dr. Perikles Simon von der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.
Will man einseitig argumentieren, und das möchte ich an dieser Stelle bewusst einmal tun, so kommt der Eindruck auf, man wolle die Russische Föderation mit ihrem Präsidenten Putin an der Spitze noch weiter isolieren. Regelrecht In die Enge treiben. Jetzt ist der Sport dran, sei es nun Fußball, Leichtathletik oder sonst etwas. Wirtschaftssanktionen gibt es ja bereits.
Wir, d.h. der Westen sind die guten. Als ob es hier in der Bundesrepublik völlig gewaltfrei zuginge. Ich denke dabei an die ungezählten in den letzten Monaten abgefackelten Asylunterkünfte. Und fast jedes zweite Bundesliga- Spiel ist nur unter massivem Polizeieinsatz durchführbar. Die nationalen Hooligans bekämpfen sich untereinander. Von Gewalt exessen fürchterlichster Art mit oftmals Dutzenden von Toten aus ständig wechselnden Anlässen in den Vereinigten Staaten von Amerika erspare ich mir an dieser Stelle zu schreiben.
Lieber erlaube ich mir den Hinweis, dass die westliche Wertegemeinschaft keinesfalls aufgehört hat, die russischen Föderation in wöchentlichen Abständen militärisch mehr und mehr in Bedrängnis zu bringen. Die viel kritisierte NATO Osterweiterung ist schon lange keine Formsache mehr, sondern wird, ironisch formuliert, mit Leben erfüllt.
Manch einer bekommt es schon gar nicht mehr mit, wenn in den baltischen Staaten direkt an der russischen Grenze ein neues Bataillon nach dem anderen aufgestellt wird, teilweise sogar unter Führung deutscher Generalität. Wo soll das hinführen? Will der „ Russe“ die baltischen Staaten“ „einkassieren“? Gibt es Hinweise darauf? Wer will hier was von wem? Wenn ich mit älteren Zeitgenossen spreche, werde ich gelegentlich erinnert an jene Zeiten, in welcher der NATO noch der Warschauer Pakt unter sowjetischer Führung gegenüberstand. Das war die Zeit, in welcher aus einem kalten Krieg täglich ein heißer werden konnte. Es gab Zeiten, als einige Hardliner im Westen darüber philosophierten, ob der „Russe“ West Berlin einkassiert oder aber mit seinen Panzern bei Gelegenheit direkt bis zum Rhein durchmarschiert würde. Etwas später dann, in den siebziger Jahren begann dann das, was man Entspannungspolitik nannte. Man begann miteinander zu reden und schloss Verträge, welche auch eingehalten wurden.
Möglicherweise ist diese Politik des „Wandels durch Annäherung“ auch einer der Gründe, welcher schließlich zum Gesamtzusammenbruch des Sowjet-Imperiums geführt hat.
Ich gebe zu, die sich nun ständig verschlechternden Beziehungen zu Russland seit Beginn der Jahrtausendwende beunruhigen mich. Und damit bin ich nicht allein.
Beim Wirtschaftsforum in Petersburg vor einigen Tagen erkannte Präsident Putin überraschenderweise die Tatsache an, dass die vereinigten Staaten von Amerika tatsächlich die letzte verbliebene Supermacht seien.
Er sehe Ost und West trotz aktueller Streitpunkte nicht auf dem Weg zu einem neuen kalten Krieg, sagte der Präsident. „Putin rief die Europäische Union auf, enger mit Russland und dem eurasischen Raum zusammenzuarbeiten. Europa bleibe unter seinen Möglichkeiten, wenn es nur auf die transatlantische Zusammenarbeit mit den USA setzte, sagte Putin.“ So der Fokus in einem Bericht vom 17.6.2016.
Ein Internationales Fußballturnier lässt auch andere wichtige Dinge in den Hintergrund treten.
„Die Immobilienblase hat Deutschland schon erfasst,“ so die Welt vor einigen Tagen in einem lesenswerten Beitrag. „Sie haben den Kollaps des US Häusermarktes vorhergesagt – jetzt warnen die gleichen Experten erstmals vor einer Blase in Deutschland.“
Zu diesen warnenden Stimmen gehört u.a. die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Ein wichtiger Indikator für das Existieren einer so genannten Blasenbildung im Immobiliensektor ist der Faktor, wie viele Jahresgehälter zum Erwerb einer eigenen Wohnimmobilie nötig sind. Im Durchschnitt muss man zurzeit in München für eine 100 m² Wohnung 15 Jahresnettoeinkommen aufwenden. Vor fünf Jahren waren in der bayerischen Landeshauptstadt lediglich neun Jahreseinkommen notwendig. Auch das war schon eine beachtliche Zahl.
Innerhalb von fünf Jahren sind in sehr vielen Regionen der Republik die Preise zwischen 20 und 50 % gestiegen.
„Der Chefvolkswirt beim Privatbankhaus Metzler sieht daher durch die Preisblase inzwischen eine Gefahr für Deutschlands Stabilität, “ so schreibt die Welt. In Ihrem Artikel.
Ich habe hier in dieser Rubrik des Öfteren auf die Preisproblematik im Immobilienbereich hingewiesen. Mein Unternehmen lebt vom An -und Verkauf von Häusern und Eigentumswohnungen. Aber ein Kollaps in diesem Marktsegment wie seinerzeit in den Jahren 2007 und 2008 in den USA ist von höchster Gefahr für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung weit über den Immobiliensektor hinaus. Vorbeugende Maßnahmen – auch darüber wurde in dieser Rubrik mehrfach hingewiesen – sind dringend geboten. Ob das neoliberalen Wirtschaftstheoretikern passt oder nicht: In einer Situation, in welcher der Markt aus dem Ruder läuft, sind staatliche Interventionen durch die politisch Verantwortlichen verpflichtend.
Eine gute Woche wünscht Ihnen
Herzlichst
ihre Jaqueline Hartmann