Ich hatte mein Wort zum Freitag (Thema: endlich mal wieder etwas über die Situation am Immobilienmarkt) geschrieben und wollte den Text gerade ins Netz stellen, da war plötzlich mal wieder alles anders. Schießerei im Bereich des Münchner Olympiazentrums. Schlagartig hatte sich die Berichterstattung der Medien, aller Medien vom Fernsehen angefangen über Onlineportale und kurz danach auch über die Printmedien geändert. Neun Menschen waren erschossen worden in der bayerischen Metropole. Auch heute am Sonntag ist die Berichterstattung über das tragische Ereignis noch nicht zu Ende. Was war geschehen? Anfangs sprach die Polizei noch von einem Amoklauf, jedoch im Laufe des Freitagabends wurden die Berichte von Stunde zu Stunde dramatischer: Bald war von einem Terroranschlag die Rede, mehrere Täter mit Langwaffen seien in der Stadt immer noch unterwegs. Es wurde die so genannte Gefahrenlage für die Stadt München ausgerufen. Der öffentliche Nahverkehr wurde weit gehend eingestellt, die Bevölkerung wurde aufgefordert, wenn möglich, ihre Wohnungen nicht zu verlassen. Auf fast jedem Fernsehsender jagte eine Sondersendung die nächste. Nach Stunden der Angst dann schließlich Entwarnung: Der Täter, ein 18 Jahre alter junger Mann iranischer Abstammung war tot. Ein politischer Hintergrund der Tat ist zurzeit nicht erkennbar. Also doch kein Terroranschlag wie in Nizza oder andernorts in den letzten Wochen und Monaten. Eine ungeheuerliche Wahnsinnstat eines einzelnen Amokläufers.
Die Toten mahnen.
Zurzeit diskutieren mehr oder weniger kompetente Experten oder Journalisten, aber auch Politiker, wie es zu derartigen Amok- Taten kommen kann und welche vorbeugenden Maßnahmen erforderlich sein, damit sich so etwas nicht allzu oft wiederholt. Amok-Taten sind auch in der Bundesrepublik in der Vergangenheit vorgekommen, meistens handelte es sich um Schüler, welche an ihrer Ausbildungsstätte wahllos um sich schossen . In anderen Ländern wie beispielsweise den USA sind allerdings Amokläufe wesentlich häufiger.
Amok! Was ist das überhaupt? Der Wissenschaftler Nikolaus Wenzel versucht eine Definition: „Das Wort „Amok „stammt aus dem malaysischen und bedeutet blindwütiges Vernichten. Amokläufer sind in Malaysia und Java ein uraltes kulturelles Phänomen bei den Insulanern gilt der Amoklauf als Zeichen dafür, dass die gesellschaftliche Harmonie nicht mehr vorhanden ist Amokläufer treten dann nicht auf, wenn eine gute Regierung an der Macht ist und im Lande Wohlstand herrscht.“ Unter Bezugnahme auf die globalisierte Welt fährt Wenzel fort: „Immer häufiger setzen Menschen, darunter viele Kinder und Jugendliche zu einem Amoklauf an, und es ist damit zu rechnen dass es mehr werden – – Amokläufer töten und richten sich nach ihren Taten typischerweise sind selbst. Welche Motivation die Täter antreibt – – bleibt verborgen. Der Ruf nach immer schärferen Gesetzen, nach erhöhten Bußgeldern, nach mehr Richtern und Sozialarbeitern, nach verstärkten Polizei-und Soldatenaufgeboten bleibt auf Dauer völlig wirkungslos, weil die sozialen Bedingungen und die gesellschaftliche Ausgeglichenheit unaufhörlich destabilisiert werden.“ (Zitiert nach Nikolaus Wenzel: („Amoklauf ins dritte Jahrtausend“)
Über den Amokläufer von München heißt es, er sei bereits schon einmal in der Psychiatrie gewesen. Man vermutet eine depressive Erkrankung. Die Neigung zur Pathologisierung von Amokläufern und anderen sozial unangepassten Menschen ist in der aktuellen psychiatrischen Diskussion in der westlichen Welt zurzeit besonders ausgeprägt.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Hier soll nichts gerechtfertigt oder entschuldigt werden. Liegen offenkundige Fakten vor, dass schwerste Straftaten unmittelbar bevorstehen, kann bei den infrage kommenden Personen aktuell sicherlich nicht anders als mithilfe der Psychiatrie bzw. anderen sicherheitstechnischen Maßnahmen eingegriffen werden. Der aus kriminologische Sicht ebenso wichtige soziale Aspekt jeder Straftat , gleich welcher Art wird mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Der Sozialpsychologe Dr. Richard Albrecht schrieb in einem Aufsatz nach dem Erfurter Schulmassaker u.a.: „Das nicht nur in der deutschen Gegenwartsgesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts alle herkömmlichen intermediären Gruppen empirisch geschwächt sind – und damit zugleich das allgemeine „institutional setting “ –, bedarf nicht erneuten Plausibilitätsvortrags. Und dass bisher keine neuen gesellschaftlichen Einrichtungen (im Sinne von Funktionseinheiten), die deren Aufgaben wahrnehmen könnten, konzeptionell in Sicht und wenigstens ansatzweise praktisch erprobt sind ist ebenso deutlich. Hinzu kommt ein zweites wesentliches Strukturelement, dass alle entwickelten Gegenwartsgesellschaften bestimmt: soziale Asymmetrie.“ Frei übersetzt ins Normaldeutsch heißt das: Zerfall familiärer Strukturen, kaum Alternativen in Sportvereinen bzw. ähnlich strukturierten Gruppierungen, um die Chance einer sozialen Positionierung zu erringen. Und dann die durchaus reale Erkenntnis sehr vieler junger Leute, dass ein sozialer Aufstieg über den Beruf in heutiger Zeit dauerhaft nicht mehr möglich ist.
Nur noch wenige kommen in gute Positionen. Es sind regelmäßig nur die Allerbesten mit einem Hochschulabschluss. Der Rest wird dauerhaft im so genannten Prekariat verharren, wobei es faktisch egal ist, ob zeitweilig gejobbt wird oder mal wieder einige Monate von Hartz IV gelebt werden muss. . Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.
Ich selbst muss zugeben, dass mir bei Berufseintritt viele Chancen offen standen und ich mit viel Energie im unternehmerischen Bereich bis jetzt einiges erreichen konnte.
Ich bin jetzt 36 Jahre alt. Würde ich heute im selben geschäftlichen Segment mit Anfang 20 beginnen, ich weiß, ich hätte kaum eine Chance.
„Wir brauchen in extremen Situationen wie Terroranschlägen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren,“ forderte der bayerische Innenminister Herrmann nach der Tat in München in der Sonntagsausgabe der Zeitung Welt.
Die politische Diskussion ist eröffnet, wie unserer Republik in ein paar Jahren aussieht weiß kein Mensch. Ich enthalte mich hier jeglichen Kommentars. Ebenso erspare ich Ihnen weitergehende Ausführungen über die gegenwärtige Situation im Bündnisstaat Türkei. Lesen Sie Zeitung oder schauen Sie die Tagesschau.
Trotz allem eine gute Woche wünscht Ihnen
Herzlichst
ihre Jacqueline Hartmann
PS: Der schon fertig geschriebene Artikel über den Immobilienmarkt erscheint am Mittwoch oder Donnerstag in dieser Rubrik