so Dorothea Siems in einem Beitrag für die Welt vom 26.5.2016. „Das Besondere des Wohnungsmarktes: jeder soll sich ein Dach über den Kopf leisten können, den sozial schwachen muss geholfen werden. Aber nicht mit Planwirtschaft und teurem sozialen Wohnungsbau,“ so Frau Siems in Ihrem Beitrag weiter. In der Zeit vom 26.5.2016 schaffe es der Autor Lukas Koschnitzke sogar den von mir bereits beschriebenen Lock- in- Effekt mit der Mietpreisbremse in Verbindung zu setzen: „Immer mehr Mieter sitzen in ihrer Wohnung fest, weil es kaum bezahlbare Alternativen gibt. Ausgerechnet die Mietpreisbremse könnte das Problem noch verschärfen,“ so der Tenor des Artikels in der Zeit. Vor einigen Wochen waren die Schlagzeilen noch weniger aufgeregt: Die Mietpreisbremse ist ein Glücksspiel,“ so die Berliner Morgenpost vom 17.5.2016 oder „Die Mietpreisbremse wirkt nicht,“ so die FAZ vom 26.4.2016. Worum geht’s? Vor gut einem Jahr, am 5. März 2015 hatte die große Koalition aus Union und SPD eine so genannte Mietpreisbremse bei Wiedervermietung von Mietwohnungen in „angespannten Wohnungsmarkten“ beschlossen. Bislang konnte die Miethöhe im Gegensatz zu den Mietanpassungen bereits bestehender Mietverträge frei von Vermieter und Mieter vereinbart werden. Das neue Gesetz sieht nun auch eine Mietbegrenzung bei neu vereinbarten Mietverträgen vor. Die Miete in bestimmten Regionen darf dabei nicht mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die Bundesländer haben in eigener Regie beschlossen welche Städte oder Kreise unter den Begriff „angespannter Wohnungsmarkt“ fallen. Natürlich gehören Berlin, München, Hamburg, Düsseldorf Frankfurt am Main dazu, aber auch etliche mittelgroße Städte oder Kreise fallen unter das Gesetz. Die Mietpreisbremse verbunden mit weiteren Maßnahmen von Bundesländern und Gemeinden soll dazu beitragen, die regional ins uferlose steigenden Wohnungsmieten zumindest einzudämmen.
In dem Beitrag der Welt vom 26.4.2016 wird auf bisherige Erfahrungen des Berliner Mietervereins nach Inkrafttreten der neuen Verordnung hingewiesen: „Den Vermietern ist die Mietpreisbremse faktische egal,“ wird Reiner Wild vom Mieterverein zitiert. Nach der neuen Rechtslage muss der Mieter, welcher eine Wohnung angemietet hat, seinem Vermieter nach Abschluss des Vertrages exakt nachweisen, dass er seinem neuen Mieter im Verhältnis zum Vormieter jetzt eine der Mietpreisbremse widersprechende erhöhte Miete einfordert. Die Kreativität mancher Vermietern kennt in diesem Zusammenhang keine Grenzen. Darüber hinaus scheuen sich die meisten neuen Mieter selbst aktiv zu werden, die meistens sind froh, endlich überhaupt eine Wohnung gefunden zu haben. Warum nun aber in den letzten Tagen die aufgeregten Schlagzeilen einiger Presseorganen? Die Bundesländer Berlin, Hamburg und Nordrhein-Weshalen wollen das Gesetz zur Mietpreisbremse ergänzen, um die Effektivität der beschlossenen Maßnahmen zu erhöhen. Es soll künftig für den Vermieter verpflichtend werden, dass er in jedem Falle korrekt bekannt geben muss, welche Miete der Vormieter zahlte. Sollten Vermieter dennoch höhere als die gesetzlich zulässige Miete verlangen, sollen die Behörden wirksame Sanktionen gegen Vermieter durchsetzen können.
Die geplanten Ergänzung des Gesetzes entsprechen auch grundsätzlich den Vorstellungen des deutschen Mieterbundes. Sollten die neuen Vorschläge tatsächlich Gesetzesrang erlangen, so droht nun plötzlich unglaubliches: Ein Gesetz, welches besonders den Durchschnitts oder Geringverdiener entlastet könnte tatsächlich wirken. Natürlich haben bestimmte Interessengruppen wenig Interesse an solchen Maßnahmen.
Dabei ist die Regulierung des Wohnungsmarktes ist für die alte Bundesrepublik überhaupt nichts Neues. Bis 1959 gab es eine Zwangsbewirtschaftung des gesamten Wohnungsmarktes, das Mietniveau wurde vom Staat (Zur Verdeutlichung: Es ist hiervon Westdeutschland die Rede) festgesetzt. Nach und nach wurde die Zwangsbewirtschaftung gelockert und es begannen weitere zur Förderung des Wohnungsbaus beispielsweise die Eigenheimförderung oder spezielle Investitionsprogramme, welche man unter dem Begriff sozialer Wohnungsbau zusammenfassen kann.1971 wurde das Kündigungsschutzgesetz eingeführt. Jahrelang war dann im Westdeutschland ein ausgeglichener Wohnungsmarkt vorhanden, geringer Arbeitslosigkeit und regelmäßig steigende Löhne taten ihr Übriges. Die Versorgung mit Wohnraum für alle Teile der Bevölkerung war gesichert.
Ausgerechnet die rot-grüne Regierung unter Kanzler Schröder schaffte dann 2001 den sozialen Wohnungsbau faktisch ab, der gesamte Markt wurde dereguliert und mehr noch, viele Kommunen oder Körperschaften des Bundes und der Länder veräußerten zur kurzfristigen Sanierung ihrer Haushalte große Teile ihrer eigenen Wohnungsbestände an private Investoren. Nun leben wir nicht mehr in der so genannten Nachkriegszeit mit ihren speziellen Problemen, dafür hatte aber jetzt das Gesetz des Marktes quasi einschränkungslos ein Großteil der Macht in weiten Teilen des gesellschaftlichen Lebens übernommen. Dabei sind besonders seit Mitte der Neunzigerjahre im Immobiliensektor viele neue, in ihrem Ausmaß der Nachkriegszeit vergleichbare Probleme hinzugekommen. Die Vereinigung beider deutscher Staaten hat eine innerdeutsche Wanderungsbewegung ausgelöst, die Erweiterung der EU zieht viele Bürger anderer Staaten in die Bundesrepublik und einige Millionen Flüchtlinge und Asylanten sind auch hinzugekommen. Die besondere Problematik der unausgeglichen demographische Struktur der Republik kommt noch hinzu. Was sind das für Leute, die denken, der Markt allein könne diese Probleme aus sich selbst heraus regeln? Die Preisexplosion im Immobilienmarkt und die dadurch hervorgerufenen exorbitant gestiegenen Mieten sind für weite Teile der Bevölkerung kaum mehr hinnehmbar und eines Sozialstaates unwürdig.
Noch gilt das Grundgesetz auch die Länderverfassungen sind weiterhin in Kraft. Diese Kernstücke des deutschen Rechtssystems betonen ausnahmslos das Sozialstaatsgebot. Früher galt das Motto: So viel Markt wie möglich und so viel Staat wie nötig. Ein angemessenes Dach über dem Kopf und dabei ein Mindestmaß an Auswahl sollte für eines der reichsten Länder des Globus für jeden ihrer Bürger das mindeste sein.
Ich bin nicht allein mit der Ansicht, dass in einer Situation wie der jetzigen Eingriffe des Staates nicht nur erlaubt sondern geradezu geboten sind. Als Fachfrau liegt mir viel daran, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse im Lande einigermaßen stabil bleiben. Ein marktradikales System, welches dabei ist völlig aus dem Ruder zu laufen ist möglicherweise schneller komplett verschwunden, als man denken kann. Und was dann auf alle zukommt, weiß keiner genau.
Ein gutes Wochenende wünscht Ihnen
Herzlichst
ihre Jaqueline Hartmann