Über das Verhältnis von Stadt und Land und was das Ganze künftig mit unserer Volkswirtschaft zu tun haben könnte.

Teil I

Die Großstadt

„In den Wohnungsbau kommt Bewegung,“ war in einer Presseerklärung des Bundesbauministeriums vom 20.1.2016 zu lesen.

„Gemeinsam mit den Partnern des Netzes für bezahlbares Wohnen werden wir günstigen Wohnraum dort schaffen, wo er am dringendsten gebraucht wird: In Gross-und Universitätsstädten sowie den stadtnahen Landkreisen,“ wird Bauministerin Hendriks zitiert. „Der Wohnungsbau ist wieder ein zentrales gesellschaftliches Thema,“ betonte die des Bauministerin. Natürlich spielt in diesem Zusammenhang die Errichtung adäquater Unterkünfte für die vielen zum großen Teil immer noch in Notquartieren untergebrachten Flüchtlinge eine maßgebliche Rolle. Aber auch ohne die in den letzten Monaten in Millionenstärke zugewanderten Migranten war der Mangel an Wohnraum gerade im unteren Preissegment in Großstädten wie Berlin, Hamburg , München und anderswo ein Problem. Immerhin: Nun wird endlich gehandelt.

Eine Stadt, in besonderem Maße eine Großstadt, hatte schon immer einen besonderen Reiz. Stadtluft macht frei wurde schon vor vielen Jahrzehnten zu einem geflügelten Wort. Die Bundesrepublik hat als vergleichsweise kleines Land keine extremen Superstädte wie beispielsweise Indien (Bombay, Kalkutta usw.) oder Brasilien mit der Megametropole Buenos Aires. Von den Megacitys in China mit teilweise 20 Millionen Einwohnern oder gar mehr (Peking/Shanghai) möchte ich gar nicht erst reden. Es liegt in der Natur solcher geballter Staatsgebilde, dass es sehr schwer ist, eine akzeptable soziale Nivellierung herbeizuführen. Slums an den Stadträndern und auch innerstädtische Elendsquartiere sind dort bislang keine Ausnahme sondern die Regel.

In der Bundesrepublik kenne ich die Großstadt Berlin am besten, da ich hier ein Büro unterhalte.

Die Metropole an der Spree ist die größte Stadt der Bundesrepublik mit momentan ca. 3,5 Millionen Einwohnern . (Wie oben dargestellt im globalen Maßstab eher klein)

Die Stadt hat , obwohl im Ostteil der Republik liegend, weit mehr als andere Regionen der DDR von der Wiedervereinigung profitiert. Berlin ist Sitz der Bundesregierung geworden. Fast alle Wirtschaftsverbände haben ihre Niederlassungen in der Stadt, Botschaften und Konsulate fast aller Länder der Erde befinden sich über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Die frühere Industriestadt Berlin ist zu einem riesigen Dienstleistungsunternehmen geworden. Momentan sind annähernd 70 % % der Bevölkerung im Dienstleistungssektor tätig.

Touristen bevölkern die Stadt, betrachten staunend die Reste der Berliner Mauer, besuchen den Reichstag oder interessieren sich für die in Teilen noch vorhandene preußische Baukunst. In Deutschland dürfte es keine Region geben, welche im gastronomischen Bereich auch nur annähernd eine vergleichbare Vielfalt von nationaler und internationaler Küche anbietet. Ebenso hat Berlin im Bereich Theater-und Musikveranstaltungen wieder Weltniveau erreicht.

Auch ist Berlin bezogen auf die Bundesrepublik die Stadt mit den meisten Startup Unternehmen. Nur industrielle Produktion von Rang, die gibt es kaum noch oder aber das was davon übrig ist wird zurzeit Schritt für Schritt abgewickelt.

Auf der anderen Seite trotz der hohen Attraktivität Berlin auch die Hauptstadt von Hartz IV.

2015 bekam jeder fünfte Berliner im arbeitsfähigen Alter Leistungen gemäß Sozialgesetzbuch II. (20,3 %, gefolgt von Bremen mit 18,2 % und Sachsen- Anhalt mit 15,7 %). Das heißt nicht, dass alle Leistungsbezieher überhaupt keiner Tätigkeit nachgehen, aber es bedeutet, dass ein Fünftel der arbeitsfähigen Bürger in Berlin ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können.

Entweder liegt klassische Arbeitslosigkeit vor, oder aber die ausgeübten Tätigkeiten sind derartig gering bezahlt, dass der Lohn zum Leben nicht ausreicht. So haben sich im Laufe der Jahre in Berlin so genannte Problem -Kieze gebildet: Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier lediglich Marzahn, Hellersdorf, das bundesweit berühmte Neukölln, Wedding aber auch Reinickendorf oder Teilbereiche von Spandau beispielhaft genannt. In einzelnen Stadtteilen Berlins wird es gerade für ältere Mitbürger zunehmend schwerer zu leben oder zu überleben. Teilweise beherrschen aggressive Jugendbanden ganze Straßenzüge, anderswo bestimmen große Familien Clans aus unterschiedlichen Herkunftsländern mit mafiaähnlichen Strukturen das Wirtschaftsleben ihres Einflussgebietes. Tendenziell driftet Berlin auseinander: die Kluft zwischen Luxus und Elend vergrößert sich. Die Politik will oder kann nichts ändern, die leeren Kassen der Bundeshauptstadt dürften jedem bekannt sein.

Arbeit der Zukunft (kleiner Exkurs)
„Viele Menschen glauben, dass viele Tätigkeiten von intelligenten Maschinen übernommen werden, sehen aber ihre eigenen Jobs kaum gefährdet.“ Das konnte man auf Telepolis in einem Beitrag vom 17.3.2016 lesen. Im weiteren Verlauf des Artikels wurde deutlich gemacht, dass erstmalig in der Wirtschaftsgeschichte durch Automatisierung mehr Arbeitsplätze vernichtet werden, als in anderen Sektoren nachwachsen. (Im Wort zum Freitag wurde bereits vor einigen Wochen über dieses Thema geschrieben).

Durch Automatisierung sind aktuell besonders Dienstleistungsberufe bedroht.

Betroffen ist tendenziell der komplette klassische Dienstleistungssektor: Fast alles , was mit Büro, Verwaltung, Callcenter aber auch Einzelhandel usw. zu tun hat wird wegfallen. Nicht sofort , von heute auf morgen, erst schleichend kaum merklich und dann geht‘s plötzlich los, schneller und schneller und die Jobs sind weg. Aber es wird nicht nur die so genannten einfachen Tätigkeiten betreffen, gerade das was, wir heute mit dem schönen Wort Mittelstand bezeichnen steht unter besonderem Druck. Tendenziell ist die Maschine immer besser als der Mensch und im Endeffekt auch billiger. Von einigen wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. Ein Kampf gegen diese Entwicklung ist wie der berühmte Kampf gegen die Windmühlen.

Wie geht‘s denn dann weiter mit einer typischen Dienstleistung Metropole wie Berlin ?

Außer Tourismus und einigen hoch qualifizierten Tätigkeiten in Forschung und Entwicklung bzw. anspruchsvollen Leitungspositionen in Regierung und Verwaltung bleibt dann nicht mehr so viel. In der Zwischenzeit steigt schon jetzt durch Zuwanderung der Anteil der Leistungsbezieher weiter an und teure Infrastrukturmaßnahmen müssen zusätzlich finanziert werden.
Arbeit der Zukunft (Exkurs Ende)

Stadtflucht
Gelegentlich findet sich der ein oder andere Beitrag in der Presse, in denen berichtet wird, dass das es Menschen gibt, die den Stress der Großstadt leid sind. Manch eine wohlhabende Familie zieht lieber in den so genannten Speckgürtel direkt außerhalb der Stadtgrenze und erwirbt für die Summe, welche für eine mäßig sanierte mittelgroße Eigentumswohnung innerhalb der Stadt aufzuwenden wäre, für dasselbe Geld oder gar weniger ein ganzes Haus mit Garten. Für andere wiederum sind die Mieten in Berlin und erschwinglich geworden und sie müssen ob sie wollen oder nicht ins brandenburgische Umland ziehen. Aber möglicherweise gibt es noch ganz andere Alternativen.

Beruflich bin ich häufig in meinen Heimatland Thüringen und kenne auch Teile Sachsens mittlerweile recht gut.
Abgesehen davon, dass Städte wie zum Beispiel Weimar, Erfurt oder auch Dresden so einiges, was man gewöhnlich mit dem Begriff Hochkultur (Stichworte: Schiller und Goethe) verbindet, zu bieten haben gibt es dort sehr viel mehr, was man häufig übersieht, wenn man einfach über die Autobahn weiter Richtung Süddeutschland rast.

Ich bin in Bad Lobenstein geboren, vielleicht kennen Sie den Ort als Autobahnraststätte oder Tankstelle.

Bad Lobenstein mit seinen Ortsteilen Saaldorf, Helmsgrün, Lichtenbrunn, Oberlemnitz und Unterlemnitz liegt zwischen dem Thüringer Wald mit dem bekannten Höhenwanderweg dem Rennsteig und dem „Thüringer Meer“ mit den beiden großen Saalestauseen Bleiloch und Hohenwarte. Sollten Sie Naturliebhaber sein und sei es nur für einige Stunden die Autobahn dort verlassen, so würden sie wahrscheinlich schwärmen von der Wald-und wasserreichen Landschaft ihren Tälern Bergen. Vielleicht sollte ich Ihnen auch etwas vom Thüringer Vogtland erzählen, beispielsweise von der Stadt Waida mit der imposanten Osterburg, ein Schmuckstück der besonderen Art, welches einen weiteren über der Stadt zu thronen scheint. Fahren Sie von dort weiter über die abwechslungsreiche Hügellandschaft Richtung Süden weiter über Geiz, Reichenbach, Auerbach, Falkenstein ins sächsische hinein bis nach Klingenthal, so werden sie kaum eine Stadt oder ein Dorf finden, in welchem es nicht eine Sehenswürdigkeit gibt. Eine Burg gibt es mindestens pro Ort, häufig aufwändig restauriert. Industrie hatten sie früher überall in dieser Region, heute sind die Menschen engagiert in der Präsentation dessen, was sie als regionale Besonderheiten zu bieten haben und das ist nicht wenig. Viele Menschen sind in den letzten 25 Jahren von dort abgewandert, weil sie mussten, durch den Wegfall der Industrie gab es anfangs keine Wahl. In einigen Gegenden ist eine Trendumkehr erkennbar:

Frühere Bewohner kehren zurück, neue kommen hinzu, ganz einfach weil sie die Region mit ihren freundlichen Menschen Lebens-und liebenswürdig finden.

Wann kommen sie?

Das wohnen dort preiswert, und selbst ein Immobilienerwerb in der Regel erschwinglich.

Warum es neben mehr oder weniger emotionalen Gründen auch entgegen den Meinungen vieler sich selbst zu Trendforschern ernannten Personen auch sehr rationale Gründe gibt, den Fokus mehr und mehr auf die ländliche Region zu richten, das erfahren Sie im zweiten Teil meines Aufsatzes am nächsten Freitag.
Ein gutes und entspanntes Wochenende wünscht Ihnen
Herzlichst

ihre Jaqueline Hartmann

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