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Zwangsversteigerung: Was ist das und wie läuft das Verfahren ab? (Teil 1)

Eine Zwangsversteigerung ist ein wichtiges Instrument im Immobilienbereich und gleichzeitig für viele eine letzte Rettung oder ein großer Verlust. Wer sich mit dem Kauf oder Verkauf von Immobilien beschäftigt, sollte die Grundlagen einer Zwangsversteigerung kennen. In diesem Artikel – dem ersten Teil eines zweiteiligen Überblicks – erklärt Jaqueline Hartmann die Grundlagen und den Ablauf einer Zwangsversteigerung und teilt ihre persönlichen Erfahrungen aus der Immobilienpraxis.

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Was ist eine Zwangsversteigerung?

Eine Zwangsversteigerung ist ein staatlich angeordnetes Verfahren, das es einem Gläubiger ermöglicht, durch den Verkauf einer Immobilie seine ausstehenden Forderungen einzutreiben. Sie erfolgt nicht freiwillig durch den Eigentümer, sondern wird „zwangsweise“ vom Gericht durchgeführt, um Schulden zu begleichen. Die rechtliche Grundlage für die Zwangsversteigerung bildet das Gesetz über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG).
Zwangsversteigerungen kommen insbesondere dann zum Einsatz, wenn Eigentümer ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen können, etwa bei Zahlungsverzug eines Hypothekendarlehens oder bei Schulden gegenüber öffentlichen Institutionen. Es gibt zwei Hauptformen der Zwangsversteigerung:

1. Vollstreckungsversteigerung: Sie ist die häufigste Form und wird durchgeführt, wenn Gläubiger – meist Banken oder öffentliche Stellen – ihre Forderungen geltend machen und dabei die Immobilie als Sicherheit nutzen.

2. Teilungsversteigerung: Diese Art der Versteigerung dient der Auflösung von Eigentumsgemeinschaften, etwa bei Erbstreitigkeiten oder bei der Teilung von Eigentum nach einer Scheidung.

Der Ablauf der Vollstreckungsversteigerung

Die gängigste Form der Zwangsversteigerung ist die Vollstreckungsversteigerung, bei der meist Banken die treibenden Gläubiger sind. Wenn ein Kreditnehmer die monatlichen Darlehenszahlungen für eine Immobilie nicht mehr leisten kann und alle Verhandlungen scheitern, kann die Bank als Gläubiger die Zwangsversteigerung beantragen. Dabei beruft sich die Bank auf die Grundschuld im Grundbuch, die als Sicherheit für das Darlehen dient. Es ist wichtig zu wissen, dass der Gläubiger – ob Bank oder Privatperson – zunächst einen sogenannten vollstreckbaren Titel (z. B. ein Gerichtsurteil) benötigt, bevor das Zwangsverfahren eingeleitet wird.
Aber auch öffentliche Institutionen wie das Finanzamt können eine Zwangsversteigerung einleiten, etwa wenn Steuerschulden bestehen und alle anderen Vollstreckungsmaßnahmen nicht erfolgreich waren. Grundsätzlich kann jeder Gläubiger mit einem vollstreckbaren Titel – sei es eine Bank, eine Behörde oder eine Privatperson – eine Zwangsversteigerung der Immobilie veranlassen.

Die Antragstellung beim Amtsgericht

Der erste Schritt im Verfahren ist die Antragstellung durch den Gläubiger beim zuständigen Amtsgericht. Der Antrag auf Zwangsversteigerung muss genaue Angaben zur Immobilie und den offenen Forderungen enthalten und durch einen aktuellen Grundbuchauszug sowie den vollstreckbaren Titel belegt sein. In den meisten Fällen wird der Antrag durch einen Anwalt oder die Rechtsabteilung der Bank eingereicht.
Nachdem der Antrag gestellt wurde, prüft der zuständige Rechtspfleger alle Unterlagen auf Vollständigkeit und Rechtmäßigkeit. Falls der Antrag genehmigt wird, erfolgt als nächster Schritt die sogenannte Beschlagnahme der Immobilie. Der Rechtspfleger sorgt dafür, dass eine Zwangssicherungshypothek im Grundbuch eingetragen wird, wodurch das Grundstück offiziell beschlagnahmt ist. In dieser Phase erhält der Eigentümer eine amtliche Benachrichtigung und hat eine letzte Frist zur Stellungnahme, um gegebenenfalls doch noch eine Einigung mit dem Gläubiger zu erzielen.

Die Wertermittlung durch den Gutachter

Eine entscheidende Rolle im Zwangsversteigerungsverfahren spielt der Verkehrswert der Immobilie. Um diesen festzustellen, beauftragt der Rechtspfleger einen Gutachter, der die Immobilie bewertet. Der Verkehrswert ist der Ausgangspunkt für das spätere Versteigerungsverfahren und bietet potenziellen Käufern eine Orientierung, wie viel die Immobilie wert ist. Der Verkehrswert wird anhand verschiedener Bewertungsverfahren ermittelt, die Aspekte wie Lage, Zustand, Baujahr und Ausstattung berücksichtigen.
Die Kosten für das Gutachten und das gesamte Verfahren müssen zunächst vom Gläubiger getragen werden. Die Gutachterkosten können je nach Größe und Komplexität der Immobilie mehrere tausend Euro betragen. Der Gutachter erstellt einen umfassenden Bericht, der dem Rechtspfleger und dem Eigentümer zur Verfügung gestellt wird. Der Eigentümer hat in dieser Phase weiterhin das Recht, auf das Verfahren Einfluss zu nehmen und beispielsweise Einwände gegen das Gutachten zu erheben.

Rechte und Pflichten des Eigentümers während der Zwangsversteigerung

Obwohl die Immobilie beschlagnahmt ist, bleibt der Eigentümer bis zum Abschluss der Versteigerung weiterhin für sie verantwortlich. Das bedeutet, dass er alle Rechte und Pflichten als Eigentümer behält und die Immobilie instand halten muss. Während der Begutachtung kann der Eigentümer entscheiden, ob der Gutachter das Grundstück betreten darf. Manche Eigentümer verweigern dem Gutachter den Zutritt, was dazu führen kann, dass die Bewertung nur anhand äußerlicher Merkmale erfolgt.
Auch in dieser Phase besteht die Möglichkeit, das Verfahren abzuwenden. Der Eigentümer kann versuchen, die Forderungen durch eine neue Finanzierung zu begleichen, die Kreditwürdigkeit wiederherzustellen oder die Immobilie im Rahmen eines freihändigen Verkaufs außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens zu veräußern. Ein freihändiger Verkauf hat oft den Vorteil, dass ein höherer Erlös erzielt werden kann als in einer Zwangsversteigerung.

Fazit: Ein langer Weg bis zur Zwangsversteigerung

Das Zwangsversteigerungsverfahren ist ein komplexer und zeitintensiver Prozess, der nicht über Nacht abläuft. Vom Antrag bis zum ersten Versteigerungstermin können ein bis zwei Jahre vergehen, abhängig von der Bearbeitung durch das Gericht und die Verfügbarkeit von Gutachtern. Für Eigentümer, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, bietet das Verfahren dennoch Möglichkeiten, ihre Situation zu verbessern oder das Verfahren zumindest hinauszuzögern.
Im nächsten Artikel werden wir die Phase der Versteigerung selbst näher beleuchten: Wie läuft ein Zwangsversteigerungstermin ab, und was müssen potenzielle Käufer beachten? Bleiben Sie dran für weitere wertvolle Einblicke in das Thema Zwangsversteigerung im Immobilientagebuch von Jaqueline Hartmann.

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